EINE OSTERINSELSKULPTUR AUF TEXEL?
Vor drei Jahrhunderten, am 1. August 1721 verließ der damals 62 Jahre alte Jacob Roggeveen die Reede von Texel mit einer Flotte der W.I.C. (West Indische Compagnie). Mit drei Segelschiffen ging man auf Suche nach “Het Onbekende Suydtland”- dem unbekannten Südland. Man vermutete damals einen Kontinent, irgendwo westlich von Südamerika, und Roggeveen erhoffte mit seiner Expedition diesen zu finden. Indes, neues Land, wo man hätte Handelsposten aufbauen können, wurde nie gefunden.
Dennoch war es Jacob Roggeveen, der Ostern 1722 als erster Europäer seinen Fuß
auf eine kleine vulkanische Insel im Pazifik setzte.
Seit der Zeit ist die Insel, die bereits Jahrhunderte von Polynesiern bewohnt wurde, bekannt als Osterinsel, Easter Island oder Isla de Pascua.
Die Bewohner allerdings nannten ihre Insel “Te Pito O Te Henua” – Der Nabel der Welt!
Später wurde der Name “Rapa Nui” üblich, zu deutsch: großer Fels.
Im 18.Jahrhundert war die Insel bereits kahl und ohne Bäume; es war keine Rede von Südsee-Palmenidylle! Als Handelsposten war sie für die W.I.C. nicht interessant. Die Flotte segelte weiter in westliche Richtung und gelangte in das Gebied der V.O.C. (Verenigde Oost Indische Compagnie)- mit fatalen Folgen: Roggeveens Schiffe, wurden in Batavia (Jakarta) von seinen eigenen Landsleuten in Beschlag genommen. Enttäuscht und mittellos kehrte er zurück nach Holland.
Die Expedition war gescheitert, seine Hoffnung gegründet auf die Vision und die Seekarten seines Vaters- war verflogen.
Sein Name aber sollte für immer verbunden bleiben mit der “Entdeckung” von Paasch Eyland, der Insel mit den geheimnisvollen Skulpturen.
Für die Bewohner des “Nabels der Welt” waren der Name Roggeveen und seine Weltreise von der Reede von Texel Grund genug, 250 Jahre später mit der Gemeinde Texel in Verbindung zu treten. 1972 schlug der Gemeinderat der Osterinsel vor, eine Partnerschaft zwischen den Inseln einzugehen. Eine gute Idee, die aber die Texelaner nicht wirklich ansprach.
Die Osterinsel war wohl in mehrfacher Hinsicht einfach zu weit entfernt. Zudem war die Anfrage politisch heikel. Die Insel gehört seit 1888 zu Chile, das im Jahr 1972 von heftigen Unruhen erschüttert wurde. Als Antwort auf die Initiative der Osterinsulaner schickte Texel lediglich eine Flagge, ein Wappen und eine Ferienbroschüre, versehen mit guten Wünschen. Die Anfrage kam ins Archief und wurde vergessen.
Nicht jedoch von Niek Welboren, der bereits seit seiner Jugend, nach dem Lesen von Thor Heyerdahls “Aku Aku” von einer Reise auf die Osterinsel träumte. 1972 illustrierte er einen Bericht über die Anfrage und Anfang der achziger Jahre unternahm er erste Versuche den Kontakt zwischen den beiden Inseln wiederzubeleben. Seine Bitte, sich hierfür einzusetzen und mitzuarbeiten fand jedoch bei den zuständigen Beamten zunächst kein Gehör.
1990 gelang es ihm dann doch noch seinen Plan als “Maler- Gesandter” in Umlauf zu bringen und der Anfrage der Osterinsulaner Inhalt zu geben. Seine Ideen und seine künstlerische Sichtweise regten das Vorstellungsvermögen jetzt doch noch an. Er bekam die nötige Unterstützung von Institutionen und Freunden.
Der Botschafter von Chile und die Gemeindeverwaltung von Texel wollten mitarbeiten und eine große Anzahl Freunde gaben ihre Unterschrift für einen sogenannten “Osterinseldruck”.
Mit dem Vorverkauf von nach der Reise zu liefernden Kunstdrucken, wußte er sein kostspieliges Abenteuer zu finanzieren.
1992 lebte Niek Welboren von Mitte Januar bis Ende Mai als Maler und Gesandter auf der Insel seiner Träume. Er hatte sich vorher ein Bild gemacht, aber die Insel mit eigenen Augen zu sehen und die “Wirklichkeit” ihres Geheimnisses zu erleben, übertroff all seine Erwartungen. Er schrieb seine Eindrücke auf für Freunde und Menschen zuhause, die seine Aktion unterstützt hatten; die Texelse Courant veröffentlichte seine Beiträge als Reisebericht.
Während seines Aufenthaltes entstanden mehr als achtzig Zeichnungen.
Niek Welboren suchte Kontakt zur Bevölkerung und zur Inselverwaltung. Die Initiative im Blick auf eine Partnerschaft mit Texel, die mittlerweile zwanzig Jahre zurücklag, war auf Rapa Nui noch nicht vergessen.Die Reise von Niek Welboren als Maler und Absandter von Texel erregte die Aufmerksamkeit u.a. des örtlichen Radiosenders. Die Idee, auf Texel eine Skulptur machen zu lassen wurde mit Begeisterung aufgenommen, und die Bildhauer standen sozusagen Schlange. Es war nicht einfach, den geschicktesten Künstler auszusuchen, denn auf der Insel hackt und schnitzt beinahe jeder. Eine Bevorzugung des einen oder anderen war noch sehr heikel.
Schließlich fiel die Wahl fiel auf Bene Aukara Tuki Pate, der bereits von den Insulanern zum besten Bildhauer von Rapa Nui ernannt worden war.
Er teilte den Idealismus von Niek, der kulturellen Verbindung künstlerisch Inhalt zu geben. Er verstand, daß die Mittel für das Projekt auf Texel beschränkt waren. Bene bot an, für Reise- und Aufenthaltskosten einen Moai aus Stein zu hauen. Ein großzügiger Vorschlag!
Im Sommer 1993 verwirklichte er innerhalb von zwei Monaten eine einmalige Skulptur als bleibendes Symbol der Verbindung zwischen zwei gleich großen, aber total verschiedenen Inseln. Für seinen schwere körperlichen Einsatz verlangte er kein Honorar, weil er es als Ehre ansah die Skulptur für und auf Texel zu machen. Für den Bildhauer von Rapa Nui war das Projekt auf Texel und die Reise nach Europa ein einmaliges Erlebnis. Er hatte vor allem viel Erfahrung mit dem Schnitzen von Holzskulpturen, diese erste große Arbeit in Stein war für ihn eine echte Heraus-forderung. Später folgten noch mehrere Steinskulpturen u.a. in Chile, Italien und Japan.
Für Zuschauer war es ein unvergeßliches Erlebnis Bene Tag ein, Tag aus eifrig mit einem Holzbeil an der Arbeit zu sehen.
Während der Entstehung des Moais wurde auch traditionelle Holzschnitzkunst des Bildhauers ausgestellt. Dies in Kombination mit den Zeichnungen, die Niek Welboren von seiner Reise mitgebracht hatte.
Die Skulptur wurde festlich enthüllt durch Ana Maria Arredondo, der Ehefrau von Bene, und von Stefan te Velde (dem Sohn des bekannten Weltseglers), der auf der Osterinsel geboren wurde. Wissenschaftler, Gemeindebeamte, Kulturreferenten, Freunde und Familenmitglieder des Bildhauers waren Zeugen dieses besonderen Moments. Das symbolische Ereignis bei der Eiland Galerij und der Prozeß, der ihm voranging, wurde unentgeltlich auf Film festgelegt durch AV Video.
Die offizielle Enthüllung war für alle Beteiligten ein unvergeßlicher Höhepunkt und Vollendung des künstlerisch und kulturellen Projektes.
Die Osterinselskulptur auf Texel, genannt “Der Träumer von Rapa Nui” ist in vieler Hinsicht einzigartig. Ihre Entstehung verdankt sie dem Idealismus der Künstler und dem Einsatz von Freunden. Der Tuffstein von (6000 kg!) kam aus Ettringen in der Eifel. Stein, Transport, Reise- und Aufenthaltskosten des Bildhauers und andere Kosten des Projektes wurden von engagierten Unternehmern in Eierland, der TESO (Texels Eigen Stoomboot Onderneming) und der Gemeinde Texel bezahlt.
Mit dem “Träumer von Rapa Nui” in Eierland, mit seiner Nase in die Richtung der kleinen vulkanischen Insel im Pazifik, ist Texel für immer verbunden mit dem “Nabel der Welt”!
Ein zeitloses Symbol, bereits Geschichte…jetzt wo die Welt durch die ungekannten digitalen Möglichkeiten und die Flut an Informationen durch das Internet kleiner wird.
Bene Aukara Tuki Pate hat eine eigene Galerie in Hanga Roa auf der Osterinsel.
Die Impressionen von Niek Welboren sind permanent auf Texel zu sehen.